09. Juni 2025
Zwölfte Nacht der Kirchen Saar: Pfingsten mit allen Sinnen erleben
An Pfingsten, dem „Geburtstag der Kirche“, haben evangelische, katholische und freikirchliche Gemeinden im Saarland die zwölfte saarlandweite Nacht der Kirchen gefeiert. Etwa 7000 Menschen haben sich nach ersten Schätzungen in der Pfingstnacht auf den Weg in die 42 saarländischen Kirchen gemacht. Die Gotteshäuser wurden so zu Orten der Begegnung, des Gesprächs, der Stille, des Feierns, der Kunst und der Kultur.
Stroboskoplichter zuckten, während der Bass wie ein Herzschlag durch die Kirche Maria Trost in Dillingen wummerte. Vor dem Altar ein DJ-Pult, umgeben von bunten LED-Lichtern. Die katholische Jugend Dillingen hatte unter dem Motto „God is a DJ“ zur „Rave Church“ eingeladen. Neben Techno gab es Cocktails und viel Gelegenheit zum Tanzen vor und zwischen den Kirchenbänken. „Wir hatten das woanders schon einmal gesehen und wollten das unbedingt auch einmal bei uns machen“, sagt Hendrik. Bis Mitternacht wurde mit einem überwiegend jungen Publikum gefeiert – aber auch neugierige Erwachsene ließen sich auf das Experiment ein.
Besinnlicher ging es in der katholischen Kirche St. Stephanus in Schmelz-Bettingen zu, die unter dem Motto „Wunder überall, die uns beGEISTern“ eingeladen hatte. „Ich habe heute viele Menschen gesehen, die sonst nicht in die Kirche gehen“, sagt Birgit Reichert-Alt von der Kirchengemeinde. Neben Aktionen für Kinder wie Trommeln und Stockbrotbacken, Liedern zum Mitsingen, einer Meditation über die sieben Gaben des Heiligen Geistes, konnten die Besucherinnen und Besucher Gebetsfahnen gestalten. „Diese Tradition stammt aus dem tibetischen Buddhismus. Wir haben die Parallele zum Sonnengesang von Franz von Assisi gezogen. Wir richten zu oft den Blick auf das Trennende zwischen den Religionen, aber das ist nicht zukunftsfähig. Wir wollen mehr auf das Verbindende schauen und den Dialog der Religionen fördern“, sagt Gemeindereferentin Maria Gerdung. „Frieden muss im Kleinen beginnen“, hat Birgit Kraus aus Lebach auf ihre Gebetsfahne geschrieben. „Frieden ist mir ein ganz großes Anliegen. Es ist so viel Unfrieden auf der Welt, da kann jeder bei sich beginnen.“
„Kirche mit allen Sinnen erleben“ hieß es in der evangelischen Kirche in Heusweiler-Holz. An mehreren Stationen konnten sich die Gläubigen auf Entdeckungsreise zu den Bereichen Hören, Riechen, Schmecken, Sehen, Tasten und Gleichgewicht begeben. Besonders einfallsreich waren die Kinder beim Lösen eines Bilderrätsels in der Kirche und krabbelten mitunter unter die Kirchenbänke, um die nächsten Hinweise zu entdecken. Neben Fühlkästen galt es bei einer Station, eine Wippe in Balance zu bringen. Auf der einen Seite stapelten sich schwere Steine, die mit „Neid“, „Verlust“ oder „Gier“ beschriftet waren. „Hier muss man viele kleinere Steine wie Liebe, Freundschaft, Hoffnung und Glaube entgegensetzen“, sagt Besucherin Ulrike Kimmling aus Riegelsberg. Besonders beliebt war auch die letzte Station: Schmecken. Mitglieder des Presbyteriums und Pfarrer Ulrich Hammer bewirteten die Gäste vor der Kirche mit Kaltgetränken und Rostwurst.
„Was hilft mir in meiner Trauer?“ war der Pfingstabend in der evangelischen Kirche Fischbach überschrieben. Haupt- und Ehrenamtliche des Kinderhospiz- und Palliativteams Saar sowie des St. Jakobus-Hospizes lasen Texte aus „Das letzte Gericht“ von Richard Fasten, dazu gab es Musik der a capella Gruppe Canta IV. „Wir stehen heute Abend auch für Gespräche für Angehörige und Betroffene zur Verfügung“, sagt Stefanie Molter vom St Jakobus-Hospiz. Die Arbeit der beiden Einrichtungen umfasse viel mehr als die Zeit im Hospiz. „Viele wissen nicht überunsere zahlreichen Trauergruppen Bescheid, etwa für verwaiste Eltern, Witwer oder trauernde Kinder.“ Die Gäste konnten darüber meditieren, was ihnen in ihrer Trauer gut tun könnte.
Die Epoche der Renaissance lebte in der Wendalinus-Kapelle in Merzig-Fitten auf. Während das Originalgemälde „Salvator Mundi“ von Leonardo da Vinci seit 2017 als verschollen gilt – konnten die Besucher in der Kapelle eine Replik aus der Feder des Fittener Malers Joachim Canaris betrachten. Der saarländische Künstler hatte weitere Repliken von Boticelli und Raffael ausgestellt und erzählte von der Herstellung der besonderen Farbe Bleiweiß, die er für die Replik von Boticellis „Primavera“ benötigte. In historischer Gewandung stellte Bernd Ripplinger, erster Vorsitzender des Fördervereins der Wendalinus-Kapelle sein Buch über die über 500-jährige Geschichte der Kapelle und ihre wechselvolle Geschichte im Dreiländereck vor.
In der Christuskirche Saarbrücken-Dudweiler begann der Abend früh mit der Eröffnung einer neuen Dauerausstellung im Seitenschiff der Kirche. Der Kontrast aus luftigen Blau-Tönen mit Geld und Rot dominiert die fünfteilige Bilderserie zum Johannes-Evangelium, auf der unter anderem die Heiligung des Blinden und die Rettung der Ehebrecherin in Szene gesetzt wurden. Die 2,7 Meter langen und 1,7 Meter breiten Gemälde des niederländischen Künstlers Paul Kooning wurden einst von der Saarbrücker Familie Schulz für eine Privatkapelle in Auftrag gegeben, dann aber nie dafür genutzt. So suchte die Familie eine neue würdige Umgebung für die Kunstwerke und „wir waren die Ersten, die zugesagt haben“, freute sich Gemeindepfarrer Heiko Poersch aus Dudweiler. Über 200 Gäste gehörten zu den Ersten, die die Ausstellung an ihrer neuen Stätte besichtigen konnten, dazu gab es viel Musik, u.a. von dem Chor Many Voices.
Öffnete man das Portal der Evangelischen Kirche in St. Wendel-Werschweiler kamen einem die Lachsalven schon entgegen. Hier Langhals & Dickkopp, unterstützt von Bassist Stefan Scharle, unterhielten dort mit einem Mix aus saarländischer Comedy und Musik, vor allem aber mit vielen Weisheiten. So ließ das Trio verlauten, dass Gott ursprünglich mehr als zehn Gebote geplant habe. Aber weil der zuständige Steinmetz Hammer und Meißel “über Nacht verliehen” und nicht mehr zurückbekommen hätte, sei es bei den zehn Geboten auf den Tafeln geblieben. Jürgen Brill („Langhals”) war sich daher sicher: „Es elffde Gebood wär gewehn: ,Du sollschd keen Wergzeusch weggenn!’”
„Über das volle Haus” freuten sich Horst Schmidt und Nora Jockel-Quasten vom Förderkreis der Kirche Werschweiler. Der Verein setzt sich dafür ein, die “Kirche im Dorf” zu lassen, eben auch mit kulturellen Veranstaltungen wie dieser, die den Gästen noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Ernster ging es zunächst im „Bliestaldom”, der Pfarrkirche St. Remigius in St. Wendel-Bliesen zu. Christoph Demuth berichtete von seinen Forschungen über Nikolaus Weiler, der in den 1930er-Jahren in Bliesen als Pfarrer tätig war, bis er auf politischen Druck und womöglich auch zum eigenen Schutz in eine Pfarrei in der Eifel versetzt wurde. Weiler hatte unter Gefahr für sein eigenes Leib und Leben immer wieder vor den Nationalsozialisten gewarnt und sich ihnen widersetzt. Dies führte zeitweise zur Ausweisung aus dem Saargebiet. In seinem Vortrag plädierte Demuth nachdrücklich für eine Würdigung des Blieser Geistlichen in Kirche und Ortsgemeinschaft.
Im Anschluss verzauberte Pfarrer Michael Jakob auf unterhaltsame Weise die Gäste mit seiner „Gospelmagic”. Unter anderem praktizierte er – frei nach der Hochzeit von Kana – die wundersame Weinvermehrung auf ganz eigene Art. Jedenfalls tauchten plötzlich immer mehr Flaschen auf und Gläser füllten sich scheinbar magisch wieder auf.
Die Nacht der Kirchen wurde unterstützt von der Pax-Bank, Saartoto, der Stiftung GLAUBEN.LEBEN, der Regierung des Saarlandes, der vvb, dem Sparkassenverband sowie Einzelspendern.
Weitere Informationen und eine ausführliche Bildergalerie unter https://nacht-der-kirchen-saar.de